Dein Erleben


Hier veröffentlichen wir gerne Eure Geschichten oder Texte, die mit dem Thema Contergan zu tun haben. Erlebtes, Alltägliches, Skurriles, Komisches, Bedenkliches, Utopisches – alles hat hier seinen Platz.

Wir freuen uns auf Eure Beiträge.

Cornelia und Sabine

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Andrea Heerdt schrieb am 14.04.2011:

Ich ging zum Einkaufen und wollte mir gerade einen Einkaufswagen holen, als ich feststellte, dass der Chip für den Wagen wieder mal nicht an seinem Platz war. Ich suchte in meiner Handtasche nach dem Chip. Ein älteres Ehepaar beobachtete mich wohl bei meiner Suche. Die beiden kamen auf mich zu und sagten: „Sie sind doch ein Contergankindle, gell! Sie sind eine Arme, hier, wir schenken Ihnen einen Euro!“. Ganz perplex antwortete ich, dass ich im Sommer meinen 50. Geburtstag feiere und mich sehr freue, anscheinend noch so frisch auszusehen. Ich bedankte mich für die Hilfsbereitschaft, den Euro wollte ich aber nicht von dem entzückenden Pärchen. Ich erklärte den Zweien, dass mein Mann gleich kommen würde und er sicher eine passende Münze parat hat. Tatsächlich kam mein Mann gerade um die Ecke. Neugierig begutachteten sie meinen (nicht behinderten) Mann. „Ja, sie haben ja gar keine krummen Hände, wo ist Ihre Behinderung?“, wollten sie noch wissen. „Immer wenn wir einkaufen gehen, lasse ich meine Behinderung zu Hause. Da stören krumme Hände nur!“, meinte mein Mann todernst. Ich schaute meinen Mann an, und wir konnten uns nun das Lachen nicht mehr verkneifen. Die 2 ließen sich anstecken und lachten mit. Ich glaube, die Herrschaften haben dann schon gemerkt, dass ich „so arm“ nicht bin. Das Eis war gebrochen und plötzlich konnte man sich ganz normal unterhalten. That’s life!

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Am 21. Februar 2011 schrieb Arne Lüers aus Freiburg

Hallo Sabine,

ich bin kein Conti, das mal vorweg. Aber ich bin betroffen von diesem Drama, durch Menschen in meinem Bekanntenkreis und (lang her) durch den Zivildienst, wo ich mit vielen Contergan-Behinderten zu tun hatte.

Heute hab ich conter21 „entdeckt“ und ich wollte doch mal eben mitteilen, dass das ein sehr schön gemachter Blog ist!

Das Internet ist ja eine Superplattform auch für alle Contergangeschädigten! Was mich nur wundert ist, das es inzwischen so viele verschiedene Plattformen gibt, denn damit werden die Energien doch leider zerstreut, anstatt sie zu bündeln!

Dabei wäre der gemeinsame Einsatz doch weiter bitter nötig! Ich bin immer wieder fassungslos, wie man Euch mit Almosen abspeist, und dies immer in der Hoffnung, die „biologische Lösung“ möge doch die Kosten begrenzen. Das ist einer zivilisierten Gesellschaft wie der unsrigen einfach nicht würdig, finde ich.

Ich wünsch Dir und Deinen Mitstreitern viel Erfolg – und vielleicht kann ich ja auch mal was dazu beitragen!

Herzliche Grüße nach Hamburg

Arne Lüers (Freiburg)

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Alle Contergangeschädigten sehen sich ähnlich oder: Sind Sie Thomas Quasthoff?

Text von Prof. Dr. Johannes Roskothen www.pro-textura.de:

Gestern ist es wieder passiert. In der Straßenbahn. Ältere Dame (ja, DAME!) spricht mich an. „Äh, darf man Sie etwas fragen?“ Man darf. Was würde geschehen, wenn die knappe Antwort NEIN!! heißen würde. Bin aber ein viel zu höflicher Typ. Also darf man.

„Äh, sind Sie der berühmte – also – dieser Sänger – äh – Tenor – äh – Bassbariton – der so anrührend Schumann-Lieder – äh – singt, dieser Quarkhoff – nein: QUASTHOFF!!“

„Nee, der bin ich nicht. Wieso soll Ich Thomas Quasthoff sein??“

„Dame (etwas entgeistert): „Ja also – wissen Sie das denn nicht? Sie sehen ihm doch ähnlich!!“

Ich (nun meinerseits entgeistert): „ICH?? Dem Quasthoff! Ist mir neu! Echt, das hat noch keiner zu mir gesagt!!“

Obwohl – jene Wandersfrau im Schwarzwald, im Herbst – hatte die doch auch gesagt, oder? Die war auch entgeistert, weil ich irgendwie blöd geguckt habe.

Die Dame staunt noch immer, staunt und stottert: „Ja, aber diese äh – also diese kurzen Stummelarme – wie der Quasthoff! Wissen Sie – ich muss immer weinen, wenn der auf die Bühne kommt. Dieser kleine Kerl! Was der geleistet hat. Muss doch alles total schwer für ihn sein, finden Sie nicht?“

Ich: „Naja, sicher, ja, aber andere Leute haben es doch auch schwer, oder? Auch Leute, bei denen äußerlich alles in Ordnung ist…“ Unbehagen über mein dummes Gelaber. Aber die Dame ergreift das Ruder: „Können Sie auch so gut singen wie der??“

„Ja, klar: In der Badewanne kann ich’s sogar noch besser!“

Das hätte ich nicht sagen dürfen. Bogen überspannt. Die Dame schweigt, und meine Haltestelle kommt in Sicht. Dann bricht es aus ihr heraus: „Der Quasthoff soll in Scheidung leben! Wussten Sie das??“

„Naja, gehört habe ich es wohl schon mal…“

„Ja, kennen Sie sich denn nicht? Alle, die – äh – so wie sie – äh – sind, sollten sich doch – äh – gegenseitig…“

„Ja, sollte eigentlich. Ich muss jetzt raus, tschüss!“

Recht hat sie, die Dame. Alle, die WIE WIR SIND, sollten sich … und zwar  gegenseitig.

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